Aus- und Umziehen auf Kosten des Arbeitgebers?

Kein Mitarbeiter kommt unbekleidet zur Arbeit. Wenn die Dienstgeberin Dienstkleidung vorschreibt, ist die Umkleidezeit dann als Arbeitszeit zu werten? Diese Frage hat der OGH nun beantwortet.

Kein Mitarbeiter kommt unbekleidet zur Arbeit. Wenn die Dienstgeberin Dienstkleidung vorschreibt, ist die Umkleidezeit dann als Arbeitszeit zu werten? Diese Frage hat der OGH nun beantwortet.

Was gilt nun als Arbeitszeit und was nicht?

Laut unionsrechtlicher Richtlinien versteht man unter Arbeitszeit „jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt“. Was bedeutet nun „zur Verfügung stehen“? ArbeitnehmerInnen stehen dem Arbeitgeber zur Verfügung, wenn diese rechtlich verpflichtet sind, den Anweisungen des Arbeitgebers Folge zu leisten und Tätigkeiten für ihn auszuüben. Sobald ArbeitnehmerInnen ohne größere Zwänge über ihre Zeit verfügen und ihren eigenen Interessen nachgehen können, handelt es sich nicht mehr um Arbeitszeit.

Das österreichische Arbeitszeitgesetz besagt, dass die Zeit von Beginn bis Ende der Tätigkeit (exklusive Ruhepausen) als Arbeitszeit zu werten ist. Als Arbeitsbeginn gilt der Zeitpunkt, an dem die Arbeitnehmerinnen dem/der ArbeitgeberIn zur Verfügung stehen, um Arbeitsleistungen zu erbringen. Wann dies genau ist, ist selbstverständlich auch abhängig von der jeweiligen Vereinbarung und oft auch unabhängig vom Ort zu sehen (Bsp.: Home Office, Fernkraftfahrer). Nach österreichischem Verständnis sind Umkleidezeiten und Wegzeiten in die Arbeit nicht als Arbeitszeit zu werten. Aber sehen wir uns nun einen aktuellen Fall genauer an, welcher eine Ausnahme zu dieser allgemeinen Regel enthält:

Der Sachverhalt:

Die Betreiberin einer Reihe von Landeskliniken wurde von deren Zentralbetriebsrat geklagt. Man schrieb den Arbeitnehmern mittels Verordnung vor, dass man innerhalb des Betriebes Dienstkleidung zu tragen habe und man sich auch im Betrieb in extra ausgeschilderten Zentralgarderoben umziehen müsse. Dabei ergaben sich jedoch Wegzeiten zwischen bestimmten Abteilungen, Wäscheautomaten und Garderoben. Diese betrugen bei einzelnen DienstnehmerInnen bis zu 23 Minuten. Die beklagte Betreiberin der Landeskliniken war der festen Überzeugung, dass der Zeitaufwand für das Umziehen vernachlässigt werden konnte. Die ArbeitnehmerInnen begaben sich nur dorthin, wo sie ihre vertraglich geschuldete Arbeit verrichten würden. Der Zentralbetriebsrat wollte deshalb klären lassen, ob diese Wegzeiten als Arbeitszeit zu werten sind.

Die Entscheidung:

Alle angerufenen Gerichte folgten der Ansicht des Zentralbetriebsrats und werteten das Umziehen sowie die langen Wegzeiten im speziellen Fall als Arbeitszeit. Doch warum:

Der Oberste Gerichtshof stellte zunächst fest, dass die Zeit, die ArbeitnehmerInnen zum Anziehen der Arbeitskleidung benötigen, grundsätzlich nicht als Arbeitszeit zu werten ist. Hierzu soll es jedoch auch Ausnahmen geben, die stets im Einzelfall abzuwägen sind. Hierbei gilt: Je mehr Einfluss ArbeitgeberInnen auf das Umziehen nehmen, beispielsweise durch vorgeschriebene Räume oder Abläufe, desto eher handelt es sich sogar beim Umziehen bereits um Arbeitszeit. Im gegenständlichen Fall stellte der OGH aufgrund der starr vorgeschriebenen Regelungen in der Anstaltsordnung fest, dass das Umziehen und die Wegzeiten als Arbeitszeit zu werten sind.

Die Anordnung des Dienstgebers lautete explizit, dass die Dienstkleidung ausschließlich im Krankenhaus zu wechseln sei. Damit wurde nicht nur im Vorhinein festgelegt, dass eine Dienstbekleidung anzuziehen ist, sondern auch wo dies geschehen soll – nämlich ausschließlich in den Zentralgarderoben. Dies geht weit über die pauschale Vorschrift, Dienstkleidung zu tragen, hinaus. Die Entscheidung des OGH, dass die Umkleide- bzw. Wegzeiten als Arbeitszeiten zu werten sind, ist daher unseres Erachtens im Ergebnis korrekt.

Fazit:

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass auch alle Lehrmeinungen davon ausgehen, dass Umkleidezeiten grundsätzlich keine Arbeitszeit darstellen. Resch sprach sich in dem Zeitschriftenartikel Umkleidezeit und Beginn der Arbeitszeit, RdW 2015, 109  gegen eine Qualifikation von Umkleidezeiten als Arbeitszeit aus, da es den ArbeitnehmerInnen in dieser Situation an der Arbeitsbereitschaft mangelt. Unter besonderen Umständen kann dies jedoch anders sein. Beispielsweise behauptet Gebhartl in, Was zählt als Arbeitszeit? ecolex 2015, 693, dass die Umkleidezeit normalerweise nicht genügend Naheverhältnis zur tatsächlichen Arbeit hat. Schließlich kommt man ja nicht unbekleidet zur Arbeit. Daher ist es den DienstnehmerInnen durchaus möglich, die Dienstkleidung schon zu Hause anzulegen. Wird den DienstnehmerInnen allerdings vorgeschrieben, sie müssen sich ausschließlich im Betrieb umziehen, so ist dies laut Gebhartl als Arbeitszeit zu werten.

Die Judikatur folge insbesondere der Lehrmeinung von Mazal, Umkleidezeit als Arbeitszeit, in Kietaibl/Schörghofer/Schrammel, Rechtswissenschaft und Rechtskunde, Liber Amicorum für Robert Rebhahn, 63 (66 ff). Zwar ist Umkleidezeit in aller Regel keine Arbeitszeit, jedoch muss man sich nach seiner überzeugenden Ansicht dabei auch den Grad der Fremdbestimmung durch den/die ArbeitgeberIn ansehen. Sind ArbeitnehmerInnen in inhaltlicher und örtlicher Hinsicht gebunden, wie zum Beispiel durch die Vorgabe von speziellen Umkleiden, so ist ihr eigenes Interesse an der bestimmten Durchführung nicht mehr gegeben.

Im oben genannten Fall handelten die ArbeitnehmerInnen beim Umziehen im Sinne der hygienischen Standards, die dem Krankenhausträger vorgegeben sind und erfüllen somit dessen Interesse. Die Entscheidung des OGH, das Umziehen sowie die Wegzeit als Arbeitszeit zu werten ist, ist daher unserer Ansicht überzeugend. Durch den Grad an Fremdbestimmung ist das Umkleiden samt der Wegzeit schon als Arbeitsleistung zu werten und erfüllen die DienstnehmerInnen durch das Umziehen deren arbeitsvertraglichen Pflichten.

Einen ausführlicheren Bericht über den Fall finden Sie hier:

https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/umkleidezeiten-in-krankenanstalten-sind-arbeitszeit/

 

Franz J. Heidinger/Christian Eber