Mit einer Flut von Dekreten kehrt die US-Regierung seit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump dem Klimawandel und Gleichstellungsprogrammen den Rücken. Diskreminierungsverbote, Diversitätsschulungen, Gender-Initiativen, aber auch der Kampf gegen den Klimawandel - all das steht nun am Prüfstand, sofern es vom Bund beeinflusst wird. Der Präsident verkauft dies als “Rückkehr zur Meritokratie”, doch in Wahrheit bedeutet es einen frontalen Angriff auf liberal-demokratische Werte und die Wissenschaft. Auch mehrere prominente Anwaltskanzleien sind ins Visier des Weißen Hauses geraten, weil sie echte oder vermeintliche Kritiker vertreten haben oder beschäftigen.
Ob diese Dekrete Bestand haben, wird sich erst zeigen. Bis zu einer teilweisen oder vollumfänglichen Aufhebung derselben wird aber viel Zeit vergehen, sodass zunächst jedenfalls von der Anwendbarkeit dieser Rechtsvorschriften auszugehen ist.
Die Reaktionen in Europa fallen bislang erstaunlich verhalten aus. Während in Washington im Eilverfahren dutzende progressive Vorgaben annulliert wurden, herrscht in Wien, Brüssel und anderswo vielfach Schweigen. Dabei sind die Konsequenzen längst grenzüberschreitend zu spüren. Internationale Organisationen wie die Uno-Büros in Wien oder die Nato sehen sich unvermittelt mit einem Wertedilemma konfrontiert: Sollen sie weiterhin gegen den Klimawandel kämpfen oder Diversität fördern, wenn der größte Bündnispartner plötzlich ersteren leugnet und auf Anti-Diversity-Kurs ist? Diese ideologische Kluft belastet unzweifelhaft das transatlantische Klima.
Alamierte Rechtsanwälte
Besonders alarmiert reagieren die Rechtsanwälte. Lang erkämpfte Prinzipien gegen Diskreminierung werden in den USA nun politisch infrage gestellt. Österreichische Anwälte verfolgen mit Sorge, wie selbst renommierte Kanzleien ins Visier geraten: In den USA gibt es bereits angekündigte Maßnahmen gegen die American Bar Association (ABA) sowie gegen einige der größten Kanzleien, weil sie den verlangten Stopp der Diversitätsprogramme bisher nicht umgesetzt haben.
Sind dies Maßnahmen erfolgreich, hätte dies auch hierzulande unmittelbare Folgen. Schließlich spielen gemischte (diverse), transatlantische Anwaltsteams bei internationalen Fusionen und Übernahmen bisher eine große Rolle. Wenn aber die bisher gewünschte “diverse” Auswahl der Teammitglieder plötzlich “illegal” gebrandmarkt wird, entsteht Rechtsunsicherheit: Dürfen Kanzleien und Unternehmen bei der Teamzusammensetzung noch auf Diversität achten, oder riskieren sie in den USA Klagen? Hier sind neben dem Druck der Administration auch bereits erste Selbstbeschränkungstendenzen der Branche erkennbar.
Gleiches gilt für Unternehmen. Zahlreiche US amerikanische Unternehmen sind geradezu über Nacht dem Aufruf gefolgt und haben politisch nicht mehr gewünschte Prinzipien aus ihren Verhaltensvorschriften eliminiert, um sich so des Wohlwollens der Regierung zu versichern. Goldman Sachs, Walmart oder McDonald`s reagieren prompt, selbst Apple folgt nach anfänglichem Zögern schließlich doch. Dieser mittelbare Druck zeigt Wirkung: Auch europäische Unternehmen wie GSK oder die Schweizer UBS folgten bereits diesem Trend.
Betroffene Universitäten
Auch Hochschulen und Forschungsinstitutionen sind betroffen: Austauschprogramme mit den USA, Förderstipendien für Frauen oder Minderheiten - was davon bleibt unter Trumps Vorgaben bestehen? Erste Hinweise auf einen “chilling effect” gibt es bereits: So berichten österreichische Wissenschafterinnen, das US-Partner vorsichtiger agieren und gewisse Themen (etwa Gender Studies oder Umweltthemen) meiden. Die Selbstzensur aus Angst vor politischen Sanktionen ist jedoch unzweifelhaft Gift für die freie Wissenschaft.
Europa darf diesen Rückschritt nicht stillschweigend hinnehmen. Ja, die EU steht wirtschaftlich und sicherheitspolititsch in enger Verbindung mit den USA. Doch Grundsätze (policies) und Werte wie Umweltschutz, Gleichberechtigung, Vielfalt und Inklusion sind keine Verhandlungsmasse. Die Europäische Kommission hat daher betont, man werde insbesondere an den eigenen Equality-Strategien festhalten.
Unternehmen mit transatlantischer Ausrichtung sind jedoch jedenfalls gut beraten, sich unverzüglich mit den neuen Realitäten auseinanderzusetzen, um in dieser ohnedies schon herausfordernden Zeit sicherzustellen, dass sie nicht durch unkluge politische Exponierung ein weiteres Problem bekommen
(Verfasser: RA Prof. Franz J. Heidinger, Alix Frank Rechtsanwälte GmbH, erschienen in der Tageszeitung “der Standard” am 2. April 2025)