Die Wahlen zum europäischen Parlament am 23. Mai erwiesen sich in Hinsicht auf das VK und den Brexit als Debakel. Die Konservativen (Tories) unter der Führung von Premierministerin May erreichten 8.8%, die Sozialdemokraten (Labour) kamen immerhin auf 13,7 %. Verstärkt wird diese Niederlage umso mehr dadurch, dass die Brexit Partei des Austritt-Hardliners Nigel Farage auf Anhieb 30,5% der Wählerstimmen erhielt.
Eine unausweichliche Folge dieses Votums war der nun offen ausgesprochene Rücktritt der Premierministerin. Unmittelbar darauf warfen schon mehrere Spitzenpolitiker der Tories ihren Hut ins Rennen um den Vorsitz der Konservativen und somit auch für das Amt des Premierministers. Bis Ende Juni müssen sie sich auf zwei Spitzenkandidaten einigen und schlussendlich ihren Favoriten in das höchste Partei- und Regierungsamt hieven.
Die derzeitige Situation der Tories wird sich stark auf den Umgang mit dem Brexit auswirken. Keiner der bekannten Kandidaten ist für einen geregelten Austritt aus der europäischen Union. Die Parteimitglieder der Tories sind zu 97% weiß, zu fast 40% über 66 Jahre alt und finanziell sehr gut abgesichert. Es kann daher nicht verwundern, dass über zwei Drittel dieser Basis einen „No-Deal Brexit“ unterstützen und keine Kompromisse mit Brüssel eingehen wollen. Der momentan präsenteste Kandidat ist der seit Langem bekannte Brexit Befürworter Boris Johnson. Eben jener muss sich zeitgleich zum Wahlkampf vor Gericht behaupten. Es wird ihm vorgeworfen die britische Öffentlichkeit vor und bezüglich des Referendums im Jahr 2016 in die Irre geführt zu haben.
Während sich bei den Tories mögliche Kandidaten in Stellung bringen, beharrt die Labour Partei auf Neuwahlen. Es wird des Weiteren kritisiert, dass der Nachfolger der Premierministerin nicht durch das Volk gewählt wird, sondern wie erwähnt von der Konservativen Basis, deren Haltung zum Brexit evident ist, aber keinesfalls die Mehrheit im Land repräsentiert.
Ungeachtet des Ausganges der Wahl zum neuen Premierminister steht fest, dass das Brüsseler Verhandlungsteam auf seinen Positionen bestehen bleiben und keinen neuen Austrittsvertrag verhandeln wird.
Durch diese Vorgänge innerhalb des United Kingdom stehen die Zeichen der Zeit wieder eher in Richtung eines „No-Deal Brexit“. Ob der verhoffte Vorteil für das VK eintreten wird, ist noch abzuwarten - die Nachteile in den Beziehungen der EU zum VK sind immer offensichtlicher. Die ideologischen Gräben werden zusehends tiefer und aufgrund der vermehrten, lautstarken Vertreter eines „No-Deal Brexit“ ist eine Beeinflussung der Wählerschaft in diese Richtung zu befürchten.
Der Schaden, welchen der Brexit unweigerlich verursacht, wird zum Beispiel auch im Bankensektor immer deutlicher. Bankinstitute benötigen für Dienstleitungen wie Einlage- und Kreditgeschäfte eine rechtlich selbstständige Tochtergesellschaft in der EU. Mit dem Austritt des VK ist dies durch eine Niederlassung in London nicht mehr gegeben. Eine Abwanderung war vorhersehbar, doch das tatsächlich eingetretene Ausmaß überschreitet die vorher kursierenden Vermutungen. Ca. 275 Finanzfirmen ziehen ungefähr 1,2 Billionen Dollar von dem einst so beliebten Finanzzentrum an der Themse ab. Damit wird der Einfluss Großbritanniens in der europäischen Finanzbranche verringert und die Steuereinnahmen aus diesem Zweig verringern sich ungemein. Profiteure dieses kostspieligen Umzuges sind vor allem Dublin, Luxemburg und Frankfurt.
Es darf nicht darauf vergessen werden, dass die Frist im Oktober immer näher rückt und das worst-case Szenario wieder verstärkt in den Vordergrund gehoben wird. Die Mittel sich einem solchen Austritt zu stellen, wurden schon in den vorhergehenden Beiträgen umfassend erläutert. Bedauerlicherweise sind diese „Werkzeuge“ seit der EU-Wahl wieder allzu aktuell und die Wahrscheinlichkeit, dass sie zum Einsatz kommen werden, eine sehr hohe.
Quellen: Handelsblatt, Standard, Presse, FAZ