In or Out?

Simulierte LKW-Staus am Hafenterminal Dover, Notfallpläne zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten, zusätzliche Beamte für die nordirisch-irische Grenze mit einer möglichen Aufstockung durch Soldaten.

Simulierte LKW-Staus am Hafenterminal Dover, Notfallpläne zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten, zusätzliche Beamte für die nordirisch-irische Grenze mit einer möglichen Aufstockung durch Soldaten.

Die Vorbereitungen der britischen Minderheitsregierung gleichen jenen auf eine drohende Naturkatastrophe. Ähnlich gravierend könnte sich ein „No-Deal-Brexit“ auf den Inselstaat in rechtlicher Hinsicht auch auswirken, sollte es der amtierenden Premierministerin May nicht möglich sein, das britische Unterhaus für ihr mit der EU ausverhandeltes Abkommen zu gewinnen. Der Ausgang der für den 15.01.2019 anberaumten Abstimmung ist ungewiss. Nicht nur die Opposition sondern auch die nordirische DUP und eine große Zahl an Konservativen haben sich bereits gegen das Abkommen der Premierministerin gestellt. Hauptkritikpunkt ist die weiterhin zu enge Bindung an Brüssel.

Eine klare Niederlage bei diesem Votum würde nicht nur den Untergang des Brexit-Deals mit sich bringen, sondern auch die Frage darüber eröffnen, wie es um die Legitimität der Premierministerin bestellt ist. Seitens der oppositionellen Labour Partei stehen die Zeichen bei einem Scheitern des Deals auf einem Misstrauensantrag. Bekleidet May ihr Amt nach einer Niederlage weiterhin, ist sie dazu verpflichtet, dem Unterhaus binnen dreier Tage einen Plan B vorzulegen. Ein solcher Plan B könnte der Antrag an die EU um eine Verlängerung der Brexit-Verhandlungen nach Art. 50 sein. Eine solche Verlängerung müsste auch einstimmig durch die EU-Mitgliedstaaten beschlossen werden.

Kommt es zu einem negativen Abstimmungsergebnis und keiner Verlängerung der Verhandlungen, hat dies den so genannten harten Brexit zur Folge. Dabei verlässt das Vereinigte Königreich mit einem Schlag den EU-Binnenmarkt und die EU-Zollunion. Dies hätte zur Folge, dass ab dem 30.3.2019 sämtliches, im UK geltendes EU-Recht außer Kraft tritt, das UK zu einem Drittstaat werden würde und keine Übergangsphase bis zum 31.12.2020 in Kraft tritt. Die Hürden eines solchen Szenarios sind umfangreich und senken den Handelsverkehr mit dem UK auf WTO-Niveau herab. Dies würde unter anderem zu einem Zoll- und Tarifniveau führen, welches das Zweifache der derzeitigen Höhe betragen würde. Vor allem der Nahrungsmittelsektor wäre von diesen Maßnahmen betroffen.

Grundprinzipien der Europäischen Union sind unter anderem der uneingeschränkte Verkehr mit Waren und die Niederlassungsfreiheit sowie die Dienstleistungsfreiheit. Dies sind Annehmlichkeiten, an welche sich die europäische Wirtschaft in den letzten Jahren gewöhnt hat. Durch den Ausstieg des UK aus der EU kommt es wiederum zu einer massiven Einschränkung des bisher herrschenden status quo. Hemmnisse ergeben sich z.B im Warenverkehr. Resultierend aus dem Status eines Drittstaates müssen bei einem harten Brexit wieder das Zollrecht, Außenwirtschaftsrecht, Verbote und Beschränkungen, Umsatz- und Verbrauchsteuern und dergleichen beachtet werden. Ferner müssen Zollanmeldungen erstellt und gegebenenfalls Aus- und Einfuhrgenehmigungen beantragt werden.

Des Weiteren sind auch gewerbliche Schutzrecht, z.B. Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster betroffen. Bei einem plötzlichen Ausstieg aus der EU oder in Ermangelung eines Nachfolgeabkommens müssen nationale Schutzrechte im VK erworben werden, da ein unionsrechtlicher Schutz nicht mehr vorhanden ist. Internationale Marken- und Musterregistrierungen, welche bei der WIPO vor dem Ende der Übergangsfrist angemeldet wurden, behalten jedoch weiterhin ihren Schutz. Eine Überprüfung eines eventuell vorhandenen Marken- und Musterportfolios ist auf jeden Fall zu empfehlen.

Auch die Niederlassungsfreiheit ist vom Austritt des VK betroffen. Nach britischem Recht gegründete Gesellschaften, die „limited“, mit Verwaltungssitz in Österreich, werden ohne eine entsprechende Nachfolgeregelung zu ausländischen Gesellschaften. Dies kann zum Verlust der Rechts- und Parteifähigkeit der betroffenen Gesellschaft führen, die „limited“ stünde folglich vor ihrem Aus in Österreich. Die Umwandlung in eine mitgliedstaatliche Rechtsform oder die grenzüberschreitende Verschmelzung nach Österreich wären mithin Mittel um dieses Problem zu lösen.

Neu zu gestaltende Verträge sollten ebenso auf die neuen Umstände angeglichen werden. Agenden wie Zollformalitäten, Zolltarife oder Währungsschwankungen sowie durch den Austritt des VK wieder entstehende Mehrkosten, sollten durch die Aufnahme entsprechender Vertragsklauseln berücksichtigt werden. Laufende Verträge gestalten sich durchaus schwieriger. Ob durch den Brexit ein Sonderkündigungsrecht mancher Vertragsteile entsteht, ist durchaus kritisch zu betrachten und wird eine Abhandlung im Einzelfall benötigen. Eine Anpassung, beziehungsweise eine Ergänzung, von vorhandenen Verträgen stellt mitunter ein Mittel dar, mit dem die Parteien Klarheit schaffen und kostspielige Prozesse zum Nachteil aller vermeiden können.

Quellen: APA, Reuters, news.orf.at, wko.at, bbc.com/news, gov.uk